Sonntag, 3. März 2013

"So jemand will des Willen tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, ..." Johannes 7: 17

es schwingt in uns mit, denn unsere Seele ist einem Resonansboden vergleichbar. Wir sträuben uns wenn Musik disharmonisch klingt. Unser Gewissen weiß, wann wir übertraten, in die "falsche" Richtung gingen und wann wir umkehrten.

In einer Herbstnacht, 1964, als sie drinnen, im ehemaligen großherzoglichen Schloss zu Prillwitz, noch tanzten und tranken, ging ich nach draußen, denn Erika meine Frau befand sich zuhause, krank. Ich hatte schon immer die Festzeitung geschrieben und im Kreis meiner Fischerfreunde vorgetragen. Nun suchte ich etwas, stand unten an der Lieps an der Anlegestelle für Fahrgastschiffe und schaute aufs düstere Wasser. Und dann sah ich auf zum Sternenhimmel. Da trat tief durchatmend ein Mann auf mich zu. Es war der Schwiegersohn unseres "Ehrenfischers" Hermann Göck, ein Dr. sowieso, der in Sachen Marxismus promoviert hatte.

Hermanns Schwiegersohn kannte mich eigentlich nicht, aber er wusste, dass ich ein hartnäckiger Mormone war, der sich partout nicht zum allmächtigen Marxismus bekehren lassen wollte.
Hermann Göck, Vorsitzender der Bezirksparteikontrollkommission, hatte mir sogar angeboten Vorsitzender der Genossenschaft zu werden, wenn ich in seine SED eintrete.

"Wie könnte ich?" fragte ich jedesmal zurück.
"Du bist doch klug genug, Gerd. Der Marxismus ist allmächtig, weil er wahr ist."
"Ist er wahr? Mein Herz sträubt sich."

Der Promovierte gab sich ebenfalls so herzlich, wie sonst sein hoch gewachsener Schwiegervater. Auch er wollte mich überzeugen, dass jeder Aspekt der Logik danach verlangte in dieser großen, von der Sowjetunion getragenen Sache der Befreiung der Menschheit von Ausbeutung mitzumachen.

Der freundliche dreißigjährige musste nicht die Vorteile aufzählen, die mir ein Parteibeitritt brächte. Er musste mir nicht sagen, dass die Welt im Kleinen wie im Großen nach einer höheren Gesellschaftsordnung verlangte.
Deshalb sei ich ja Mormone, erwiderte ich.
Er schüttelte den Kopf.
"Religionen, insbesondere die christlichen haben abgewirtschaftet!"
Wie sollte ich mit wenigen Worten ausdrücken was ich fühlte, ahnte und wusste? Sollte ich ihm lang und breit erklären, dass die christlichen Kirchen sich allesamt auf dem Holzweg befanden, weil sie nicht mehr dem Licht und Geist Christi folgten, sondern ihrer eigenen Weisheit, dass eben dieser Abfall von der ursprünglichen Wahrheit der Grund für das Hervorkommen des sogenannten "Mormonismus" war?

Der Kern aller Religion ist die Suche nach einem Gott der wirklich existiert, dem ich mich nähern oder von dem ich mich entfernen kann. Hatte ich doch in den 20 Jahren meiner bewussten Mitgliedschaft in der Kirche  immer wieder erfahren, dass es zutrifft: wir sind Wankende und gehen ob wir wollen oder nicht, immer weiter in die Zeit und in nie zuvor erlebte Umstände hinein. Wir können nicht stehen bleiben.
"Manchmal scheint mir, ich bewege mich auf rollendem Untergrund. Meine Religion bietet mir jedoch eine eiserne Stange, an ihr taste ich mich durch den Nebel, ich lasse sie nicht los. Immer wieder komme ich zu einem Baum mit unglaublich angenehm schmeckenden Früchten. Wenn ich mehr davon haben will muss ich weiter gehen. Ich erfuhr auf diese Weise, dass der Weg mit der eisernen Stange der richtige ist. Ich wurde es inne, dass die Lehre meiner Kirche Menschen unterschiedlichster Kulturen und Absichten zusammenbringen kann.
Da ist ein Gott, von dem Schiller sagt: "Brüder! Überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen".

Mein Gesprächspartner ließ sich einen Augenblick lang mitreissen, war tief beeindruckt, nicht wegen der Worte, sondern weil er für wenige, flüchtige Sekunden ahnte, wie groß  und gut und richtungweisend meine Religion war.

"Wir können allesamt innewerden, ob die Lehre von diesem Gott nur Menschenworte sind!"



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